CYBER_FEMINIST_CITY

Stadtschaffende Praktiken zwischen Artificial Intelligence, Algorithmen und Asphalt

Der urbane Raum ist längst ein Inter_Space: Hier verschränken sich Materialität und Virtualität, Analoges und Digitales in steter Wechselwirkung. Oft unsichtbar und als ‚technisch neutral‘ deklariert bestimmen Tech-Unternehmen zunehmend über urbane Gestaltung, wollen die Komplexität und Zukunft von Städten durch ‚Smartness‘ berechenbar machen. Diverse Lebenswirklichkeiten marginalisierter Perspektiven finden dabei wenig Raum oder Repräsentation. Im Gegenteil: Von meist weißen, cis-männlich dominierten Entwicklern programmierte Artificial-Intelligence-Systeme scheinen mehr und mehr über gesellschaftliche Teilhabe, Möglichkeiten der Raumaneignung on- und offline sowie über die Zugänglichkeit zu (sozialer) Infrastruktur zu entscheiden. Mit dem Voranschreiten der urbanen Automatisierung werden so vor allem patriarchale und heteronormative Praktiken reproduziert, standardisiert und in der Stadt materialisiert.

Cyberfeministische Zusammenschlüsse aber leisten Widerstand, indem sie vorherrschende Geschlechterhierarchien und Machtverhältnisse technologischer Entwicklungen und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen auf den (digitalen) Raum hinterfragen: mit Praktiken des Hacking sowie solidarischer und sorgender Tech-Infrastruktur. Aufbauend auf einer fünfmonatigen Feldforschung zu raumschaffenden (Kultur-)Techniken hackfeministischer Kollektive widmet sich diese Arbeit den Aneignungen von und dem Widersetzen gegen unterdrückende, patriarchale Technologien. Die mitunter manifestartige digitale Ethnografie zeigt einerseits, wieviel Macht in Technologien eingeschriebene und vorprogrammierte Wertesysteme vor allem auf den Alltag von FINTA haben. Andererseits bergen Digitalisierungsprozesse widerständiges Potenzial: Das unvermeidliche Auftreten kurzzeitiger Störungen in Funktionsabläufen – technologischer Glitchs – ermöglicht das Hacken technosozialer, heteronormativer Ordnungen aus dem (urbanen) Dazwischen heraus. Von den Rändern der neoliberalen Stadt aus, in ihrem jeweiligen intimen Zusammenhalt, verkörpern (cyber-)feministische Hackspaces Sorge- und Wissensinfrastrukturen, schaffen Zugänglichkeiten zu digitaler Alphabetisierung und Tech-Wissen und besetzen Raum in materiellen sowie zeitlichen „urban cracks“ (Tonkiss 2013: 317). Ihre Verweigerung des technokapitalistischen Systems formuliert alternative, plurale Zukünfte, ist das codierte ‚otherwise‘.

Ausgehend von der Dringlichkeit, die in Technologien und Räume eingeschriebenen Ungleichheiten zu entschlüsseln fordert die Arbeit dazu auf, sich – stadtforscherisch! – dem hyperdurchplanten und ausschließenden Zukunftsentwurf von technokapitalistischer Stadtproduktion entgegenzustellen. Feministische Hackspaces machen hier den Anfang: Sie fordern ein Recht auf Stadt, auf Repräsentation im urbanen Zusammenleben ein und widersetzen sich damit binären Antwortmöglichkeiten einer automatisierten Entscheidungsarchitektur, die die Bedürfnisse von FINTA kaum berücksichtigt – weder in der Gestaltung von Algorithmen oder Artificial Intelligence, noch auf dem Asphalt, der die Stadt bedeutet.


Credits:
Maja-Lee Voigt (Masterthesis)

Betreuende:
Prof. Dr. Monika Grubbauer
Dr. Kathrin Wildner

Zeitraum:
04/2021 – 09/2021

Vorgeschlagene Zitierweise:
Voigt, Maja-Lee (2021): Cyber_Feminist_City – Stadtschaffende Praktiken zwischen Artificial Intelligence, Algorithmen und Asphalt. Masterthesis (unveröffentlicht). Hamburg.


Weiterführende Links:

Vadiati, Niloufar (2022): Cyber-Feminist Urbanism, a conversation with Maja-Lee Voigt. Digital Urbanism, from the Grassroots Podcast. Hamburg

Bialski, Paula/ Bischof, Andreas/ Ojala, Mace and Voigt, Maja-Lee (2022): CTRL + F_eminist futures. Hacking algorithmic architectures of cities to come. Hacker Culture – the Conference Podcast. From EASST 2022 in Madrid.


Kontextbezogene Literatur:

Buolamwini, Joy (2021): Tweet vom 09.04.21. https://twitter.com/jovialjoy/status/1380539105675710465.

Buolamwini, Joy / Gebru, Timnit (2018): Gender Shades: Intersectional Accuracy Disparities in Commercial Gender Classification. In: Proceedings of Machine Learning Research 81, 1–15.

f.u.c.k. cologne (2022): Fuck Cologne – Feministisches Tech Kollektiv in Köln. https://fuckcologne.de/ [letzter Zugriff 03.11.2022].

Genzmer, Jenny (2020): F.U.C.K.001 Wir haben uns nen Hackspace gemakert. Feminismus und Computerkram.

Haecksen (2021): Wer sind die Haecksen? – Haecksen. https://www.haecksen.org/wer-sind-die-haecksen/ [letzter Zugriff 14.03.2021].

Heart of Code e.V. (2021): kalender. http://heartofcode.org/kalender [letzter Zugriff 04.08.2021].

Mattern, Shannon (2021): A City is Not a Computer: Other Urban Intelligences. Princeton: Princeton University Press.

Marx, Paris (2021): Embracing Glitch Feminism with Legacy Russell. Tech Won’t Save Us.

Mz* Baltazar’s Laboratory (2022): Über uns / About – Mz* Baltazar’s Lab. https://www.mzbaltazarslaboratory.org/about/ [letzter Zugriff 10.02.2023].

Noble, Safiya Umoja (2018): Algorithms of oppression : how search engines reinforce racism. New York: New York University Press.

Old Boys Network (1997): 100 anti-theses. https://obn.org/obn/inhalt_index.html [letzter Zugriff 16.08.2021].

Podcastkollektiv der Haecksen (2022): Technik kreativ nutzen. Haecksenwerk.

Russell, Legacy (2020): Glitch Feminism: A Manifesto. London/ New York: Verso Books.

Shaw, Joe/ Graham, Mark (2018): Ein informationelles Recht auf Stadt? Code, Content, Kontrolle und die Urbanisierung von Information. In: Bauriedl, Sybille, Strüver, Anke (Hg.), Smart City – Kritische Perspektiven auf die Digitalisierung in Städten. London: transcript Verlag, 177–204.

Tonkiss, Fran (2013): Austerity urbanism and the makeshift city. In: City 17/3, 312–324.

Wark, McKenzie (2004): A Hacker Manifesto. Cambridge/ London: Harvard University Press.