Leerstandsspaziergang

„Raum ist nach Lefebvres Theorie der sozialen Produktion des Raums das Ergebnis gesellschaftlicher Produktionsprozesse. Wie ein Raum wahrgenommen wird, wie er gestaltet wird und welche Bedeutungen ihm zugeschrieben werden, ist genauso wie seine Nutzung ein ständiger Prozess, der immer von Machtstrukturen und Wissensproduktion abhängig ist“ (Morawski 2014: 36). So wird in dem Buch „Reclaim your City“, welches sich mit urbanen Protestbewegungen, -strategien und -kulturen befasst, die Theorie Henri Lefebvres zusammengefasst. Auf dieser gründet sich ein großer Teil der aktuellen Recht-auf-Stadt Bewegung und ihrer zentralen Frage „Wem gehört die Stadt?“. Auch wir möchten uns mit diesem Projekt des Leerstandsspazierganges hier anschließen.

Durch das Hamburgische Wohnraumschutzgesetz sollen Wohnungen auch vor Zweckentfremdung durch Leerstand geschützt werden, darunter fallen jedoch zum Beispiel keine Gewerbeflächen. So kommt es trotz Wohnraummangels und steigende Mieten in vielen Stadtteilen zu Leerständen, die jedoch häufig durch ihre Lage in Gewebegebieten wenig sichtbar sind.

Dieses Projekt zielt auf eine Sichtbarmachung dieses Missstandes sowie den dahinterstehenden Machtverhältnissen. Durch eine (temporäre) Besetzung und Aneignung eines Raumes, beziehungsweise einer Projektionsfläche dieses Raumes, soll dieses Machtverhältnis hinterfragt werden. Im Sinne einer „Wunschproduktion“, wie in Hamburg bereits in der Herstellung des Park Fiction verwendet, sollen kreative Ideen, unrealistische Ziele und Vorstellungen, Träume und Wünsche an der Hauswand real werden. Das Konzept basiert auf der Theorie des französischen Philosophen Gilles Deleuze und des Psychoanalytikers Felix Guattari, die den Begriff der „Wunschmaschine“ entwarfen und die Macht des Imaginären und Unbewussten als reale Mächte, die unser Leben und die Gesellschaft mit den darin bestehenden Machtverhältnissen formen, aufzeigten.

Dadurch das wir alternative Nutzungen für ungenutzte Gebäude, gemeinsam mit allen Beteiligten sichtbar machen, diskutieren und uns darüber vernetzen wollen, ist diese Projekt auch eine Form der kollektiven Wissensproduktion und Kommunikation, die vom öffentlichen Raum aus in die Sphäre des privaten Raumes reicht.


Konzeptzeichnung Leerstandsspaziergang

Urban Design Methods:
Kartierung
Dérive – Wahrnehmungsspaziergänge
Diagrammatik


Credits:
Charlotte Niewerth, Mareike Oberheim

Betreuerinnen:
Sina Schröppel
Annalena Kirchler

Zeitraum:
04/2020 – 08/2020

Kontextbezogene Literatur:
Morawski, Tobias (2014): Reclaim your City. Urbane Protestbewegungen am Beispiel Berlins. Hg.v. Papp-
satt Medien-Kollektiv. Assoziation A. Berlin, Hamburg

Swoosh Lieu (2018): Who reclaims? Ein collagierter Streifzug durch die Raumfrage. Abbildung bezogen über https://swooshlieu.com/projekte/performances/who-reclaims (abgerufen am 07.08.2020)